Expertengruppe beobachtet einen stabilen Seehundbestand im Wattenmeer
Im August 2020 wurden im dänisch-niederländisch-deutschen Wattenmeer und auf Helgoland 28.352 Seehunde gezählt. Dies ist der bisher höchste gemessene Wert seit 1975, mit einem leichten Anstieg von 2% gegenüber 2019. Auch die Zahl der Jungtiere erreichte mit 9.954 ein neues Rekordhoch. In ihrem neuen Bericht „Trilaterale Zählungen von Seehunden im Wattenmeer und auf Helgoland im Jahr 2020“ schätzt die trilaterale Seehundexpertengruppe (Expert Group Seals; EG-Seals) der Trilateralen Wattenmeer-Zusammenarbeit den Gesamtbestand der Seehunde im Wattenmeer auf 41.700. Die Zahl basiert auf der Annahme, dass sich während der Erhebung etwa ein Drittel der Seehunde im Wasser befand. Die trilateral koordinierten Erhebungen aus der Luft werden zweimal im Jahr durchgeführt - während der Wurfperiode im Juni und während des Fellwechsels im August, wenn die Seehunde mehr Zeit an Land verbringen.
Die EG-Seals hat seit 2012 einen sich stabilisierenden Trend in der Population beobachten können, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 1,2%, welche deutlich niedriger ist als in den Jahrzehnten davor. „Mit Blick auf die einzelnen Regionen, stellen wir von Jahr zu Jahr starke Zu- und Abnahmen fest“, sagt Ursula Siebert, Vorsitzende der EG-Seals und Professorin am Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW). „Dafür kommen verschiedene Gründe in Frage; darunter ein zum Vorjahr leicht abweichendes Erhebungsdatum, eine unterschiedliche Anzahl von zählbaren Seehunden an Land, die Wetterbedingungen oder eine Migration zwischen den Regionen. Deshalb ist es wichtig, das Wattenmeer als eine ökologische Einheit zu betrachten und die Zählungen trilateral zu koordinieren. So gewinnen wir einen Überblick über den Zustand des gesamten Seehundbestands.“
Im dänischen Wattenmeer wurden während des Fellwechsels im August 2.256 Seehunde gezählt, 16% weniger als 2019. Im benachbarten schleswig-holsteinischen Wattenmeer stieg die Zahl hingegen um 23% auf 10.746 Seehunde. In Niedersachsen und Hamburg wurden 7.553 Tiere beobachtet (14% weniger als im Jahr 2019). In den Niederlanden stieg die Zahl leicht um 4% auf 7.661 Seehunde an. Nach einem hohen regionalen Zuwachs von 33% in 2019, wurden auf Helgoland in diesem Jahr mit nur 136 Seehunden 47% weniger als im Vorjahr beobachtet.
Die Gesamtzahl der neugeborenen Seehunde, die während der Wurfperiode im Juni gezählt wurden, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3% auf insgesamt 9.954. Dies ist die bisher höchste registrierte Anzahl und setzt die Reihe, der in den letzten Jahren registrierten Rekordzahlen, fort. Aufgeteilt nach Regionen, wurden in Dänemark, wo die Zahl 2019 verhältnismäßig hoch war, in diesem Jahr mit 429 53% weniger Jungtiere beobachtet. Im schleswig-holsteinischen Wattenmeer wurden 4.499 Neugeborene beobachtet (+21%). In Niedersachsen und Hamburg wurde mit 2.484 jungen Seehunden ein moderater Rückgang um 8%, in den Niederlanden ein Anstieg um 9%, mit 2.542 gezählten Neugeborenen. Auf Helgoland konnte dieses Jahr kein Jungtier beobachtet werden. Der Anteil der Jungtiere an der Gesamtzahl der August-Zählung betrug 35%, wie im Jahr zuvor, und war damit wiederholt der zweithöchste bis dato registrierte.
Nach Jahren des Wachstums mit 8,9 % pro Jahr scheint sich der Bestand ab 2012 stabilisiert zu haben. In den letzten acht Jahren wächst der Bestand im Durchschnitt um 1,2 % pro Jahr und wird auf etwa 40.000 Seehunde geschätzt. Die Mitglieder der EG-Seals bewerten diesen Trend als auffällig, da die Zahl der Jungtiere in diesen acht Jahren bis auf jährlich etwa 10.000 angestiegen ist, aber trotzdem nicht zum Wachstum der Gesamtzahl beizutragen scheint. Daher sind weitere Studien erforderlich, um die dahinter liegenden Mechanismen zu verstehen.
Seehunde sind, wie auch ihre größeren Verwandten die Kegelrobben, äußerst prominente Raubtierarten in der Region. Im Rahmen der Trilateralen Wattenmeer-Zusammenarbeit koordiniert die trilaterale Seehundexpertengruppe (EG-Seals) die Zählungen jeweils in einem engen Zeitfenster und gleicht die resultierenden Ergebnisse aus allen Teilen des Wattenmeers an. Seehunde stehen im Wattenmeer unter besonderem Schutz und werden, im Rahmen des Wattenmeer-Seehundabkommens (Agreement on the Conservation of Seals in the Wadden Sea; WSSA) unter der Schirmherrschaft des UN-Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden Tierarten (CMS), überwacht. Das CWSS fungiert zugleich als Sekretariat zur Begleitung dieses Abkommens, dessen Inkrafttreten im Oktober nächsten Jahres 30-jähriges Jubiläum feiern wird.
Der vollständige Bericht sowie vorherige Berichten sind hier in englischer Sprache verfügbar.